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Volbeat und "Rewind, Replay, Rebound" - Lago di Resia

Nachdem wir Volbeat mit ihrem jüngsten Live-Output „Let´s Boogie! (Live From Telia Parken)" zum Album der Woche küren durften, drängen sich bei „Rewind, Replay, Rebound“ eher Parallelen zu einem versunkenen Kulturschatz auf.

Tatort Südtirol: Ein beschauliches Bergdorf (Heute: Alt-Graun) wurde im Jahr 1950 aus wirtschaftlichen Interessen den Wassermassen geopfert. Nutz- und Weidefläche, sowie die historische Bausubstanz der Ortschaft gingen zum Zwecke einer unterbrechungsfreien Stromversorgung verloren. Der kulturelle Totalverlust wurde durch die Begnadigung des örtlichen Kirchturms abgewendet. Heute steht das Überbleibsel der Pfarrkirche St. Katharina unter Denkmalschutz, ein wind- und wetterfestes Relikt vergangener Tage. Auch Volbeat haben so manch alte Bausubstanz ihren wirtschaftlichen Prämissen geopfert. Nur stellenweise ragen die ureigenen Qualitäten aus der Wasseroberfläche heraus.

Der Wasserstand ist hoch. Eine trübe, unscharf umrissene Masse, die jederlei Eigenständigkeit zu verschlingen droht. Kitschige Liebeslieder über wohlige Erinnerungen und liebreizende Anblicke erwartet man mittlerweile von den dänischen Weltstars. „Cloud 9“ ist dementsprechend seicht und gesichtslos. „Maybe I Believe“ stellt sich unwesentlich geschickter an. No doubt, it´s a filler! Die menschliche Tränendrüse wird rücksichtslos überstrapaziert und „When We Were Kids“ komplettiert das bittersüße Trio. Ein verspäteter Aprilscherz, so möchte man auf Anhieb meinen. Bei „7:24“ regt sich ebenfalls kein Freudenschimmer und „The Awakening Of Bonny Parker“ dürfte seinen Platz in der Halbzeitpause der Bundesligakonferenz sicher wissen: Das Beste der 80er und die aktuellen Hits von heute - wenn man sie denn als solche bezeichnen möchte.

Davon abgesehen bieten Volbeat Mittelmaß zweiter bis dritter Güte. War das 2008er Album „Guitar Gangster & Cadillac Blood“ ein erntefrischer Champignonkopf, sind Songs wie „Leviathan“ oder „Rewind The Exit“ der in Dosen gepresste Bruch. Kann man mal essen, ist aber keineswegs ein Leckerbissen. Letzterer lässt sogar kurz die Hoffnung auf Pommesgabeln und malträtierte Becken aufkeimen. Doch er verliert sich schnell im bandtypischen Wirrwarr aus Kid Rock und Nickelback. Was bei Wikipedia noch immer als Elvis-Metal angepriesen wird, lädt inzwischen eher zum Hochzeitstanz denn zum gepflegten Moshpit ein. „Cheapside Sloggers“ und „Everlasting“ haben durchaus gute Ansätze; sie werden nur leider sträflich leicht hinfort gegeben. Während ersterer im C-Part zwischen Doom und Stoner umherwandert und sogar ein Solo (!) bereithält, vermischt „Everlasting“ zwei Hochkaräter des Backkatalogs: Leider sind „Evelyn“ und „The Hangman´s Body Count“ für sich allein genommen wesentlich eindrucksvoller, als fusioniert in einer unheiligen Allianz aus ungesunden Weichspülern und Melancholie.

„Pelvis On Fire“ groovt alte Geister aus Ihren Grabstätten heraus und kann doch den heutigen Maßstäben genügen. Definitiv eines der rar gesäten Highlights, dessen vergleichsweise hohes Tempo eine willkommene Abwechslung bietet. „Die To Live“ hält das Tempo hoch, doch ein kleines Intermezzo macht noch keinen ernstgemeinten Ausbruchsversuch aus. So ist „Last Day Under The Sun“ leider wieder berechnend und in letzter Konsequenz simplifiziert. Wirklich mitreißend wird es nicht mehr.

Hin und wieder hat der Volksmund mit seinen Binsenweisheiten und Kalendersprüchen recht. „Kennste einen, kennste alle“ - Volbeat haben seit geraumer Zeit das Ziel aufgegeben, einen wirklichen Mehrwert für die Musikwelt darzustellen. Neben der Einfallslosigkeit mach besonders die übervorsichtige Abmischung ein schwerwiegendes Manko aus. Aus chronischer Angst vor Ecken und Kanten mischen die Produzierenden alles hinfort, was nicht in eingefahrene Airplay-Muster passen möchte. Kreative Ansätze können sich nicht frei entfalten oder werden gleich in Gänze übergebügelt. Nur vereinzelt ragen sie noch stolz empor: Die Kirchtürme einer (fast) verlorenen Bandepoche.

Fazit

3.7
Wertung

Gut gemachter Pop-Rock? Gerne! Künstlich verwaschener Pop-Rock mit der Ambition, den Heavy-Metal-Olymp zu erklimmen? Fragwürdig, wenig authentisch, fad.  

Marco Kampe
7.7
Wertung

Auch wenn die Vorabsingles etwas Anderes vermittelt haben, so überzeugt die neue Platte durch ihre Wandlungsfähigkeit. Der Bezug auf altes Material, besonders auf "Guitar Gangsters and Cadillac Blood" und "Beyond Hell/Above Heaven" ist sehr klar zu erkennen. Mit Rob Caggiano an der Gitarre hat sich der Stil doch recht drastisch geändert. Altes, Bekanntes, aber auch experimentelle Elemente. Volbeat überzeugen mich hier so sehr wie länger nicht mehr.

Moritz Zelkowicz